Eine Benefizjagd

Die Schilderung einer Fuchsjagd mit Adlern zur Beize von unserer Uigi erinnerte mich an einen Jagdtag, der nun über dreißig Jahre zurückliegt.

In dem größeren Dorf Haldern am rechten Niederrhein war ein in Indien tätiger Priester auf Heimaturlaub. In Indien hatte dieser Ordensmann eine Hilfsstation für Lepra Kranke aufgebaut, die er in Anlehnung an seinen Heimatort ebenfalls Haldern genannt hatte.
Auch in dem Dorf Haldern lebte der damalige, inzwischen schon verstorbene, Präsident des Jagdgebrauchshundevereins Hubertus Wesel, dem ich persönlich viel Rat und tätige Hilfe bei der Ausbildung meines ersten Vorstehhundes verdanke. Walter, so hieß er mit Vornamen, hatte die Idee, zugunsten der Leprastation in Indien einen Benefizjagdtag zu organisieren. Er fand auch schnell Jäger und insbesondere heimische Jagdrevierinhaber genug, die für die Idee zu begeistern waren. Der Organisationsplan sah vor, dass in den damals noch besser besetzten Niederwildrevieren um Haldern einzelne Jagdgruppen kleine Stöberjagden durchführen sollten. Aus der Sektion Köln des Deutschen Falkenordens war zur Teilnahme eine Anzahl von Falknern, meistens mit Adlern und Habichten entsandt. Auch das Kurpfälzische Jagdhornbläsekorps aus Heidelberg hatte eine große Abordnung von Parforce- und Fürst Pless-Hornbläsern zur Gestaltung einer Hubertusmesse und eines Konzertabends geschickt. Versteht sich, dass die Jagdhornbläser am Tage die Jagdsignale ertönen ließen und auch aktiv mit jagten. Zu jeder Jagdgruppe gehörten dann auch noch mindestens zwei Hundeführer. Die zu erwartende Jagdbeute, vornehmlich Hasen und Fasane, Kaninchen und Enten sollten dann abends auf dem Marktplatz zu Haldern an die Einwohnerschaft verkauft werden. Der Erlös sollte ebenso wie die Kollekte in der Hubertusmesse und das Eintrittsgeld des Konzertabends an die Leprastation in Indien fließen.

Der Bedarf an mindestens zwei Hundeführern pro Gruppe hatte mir noch revierlosem Jäger die Einladung zu dieser Jagd beschert. Meine damalige braun weiße Kleine Münsterländerin Heike von der Overbecker Buche hatte zu jener Zeit gerade ihre Gesellenprüfung, die Herbstzuchtprüfung bestanden. Es versteht sich, dass ich dem Tag geradezu entgegenfieberte.

Um zehn Uhr erscholl auf dem Marktplatz das Jagdsignal „Jägersleute versammelt Euch“. Nachdem dann folgenden Signal „Begrüßung“ wurde die Gruppeneinteilung vorgenommen und die Regularien bekannt gegeben. Dann wurde „Aufbruch zur Jagd“ geblasen und die Gruppen zogen aus in die Reviere im Umland. Ich war einer Gruppe zugeteilt, zu der neben dem Revierinhaber und einigen einheimischen Jägern ein Falkner aus Köln mit einem Habicht und ein weiterer Hundeführer mit einer Deutsch Drahthaar Hündin gehörten.

Durch das Revier führte die Eisenbahnstrecke von Oberhausen nach Arnheim in den Niederlanden. Die Landschaft erwies sich als für Niederwild gut geeignet. In Wiesen und Äcker mit und ohne Zwischenfrucht waren kleine Waldstücke und Hecken eingestreut.
Unsere Hunde stöberten fleißig und laut. Bald knallte es munter aus den Flinten, und die Hunde apportierten, was die Jäger nicht selbst aufnehmen konnten. Die Deutsch Drahthaar Hündin apportierte sogar zwei Igel, die sie so vorsichtig aufnahm, dass weder ihr noch den Stacheltieren ein Leid geschah.

Aber auch der Habicht sollte seine Chance haben.
Ich war selbst nicht Augenzeuge dessen, was dann passierte. Ich sah nur den Falkner hinter einer Hecke weg auf den Revierinhaber zugehen. Seinen leblosen Habicht trug er in der Hand. Der Vogel war an die Oberleitung der Eisenbahnlinie gekommen und tödlich verunglückt.

Auf ausdrückliches Bitten des Falkners wurde die Jagd dann doch fortgesetzt. Er ging den ganzen Jagdtag mit und ich hatte noch Gelegenheit ihm mein Mitgefühl zum Verlust seines Waidgesellen auszudrücken. Im Gespräch sagte er mir dann, dass er selbst nie mit einem Unfall dieser Art gerechnet hätte. In Köln sei er seit Jahren sehr häufig mit seinem Beizvogel im Bahnhofsgelände auf der Karnickeljagd. Es sei nie etwas passiert.
Wir sprachen auch noch über die Ausbildung eines solchen Vogels und über das Verhältnis zu seinem Falkner. Gemessen an der Ausbildung eines Jagdhundes sei die Ausbildung eines Beizvogels weniger aufwändig, meinte er. Im Frühjahr, also zur Balzzeit, hätte sein Habicht ihm immer deutliche Zeichen von Zuneigung erwiesen.

Die gewohnte freudige Jagdstimmung kam in unserer Gruppe an dem Tag nicht mehr auf.

Anders war es abends auf dem Marktplatz, wo die gesamte Beute des Tages zur Strecke gelegt und verblasen wurde. Mir ist da noch das frohe Gesicht eines anderen Falkners in Erinnerung, der seiner Freude darüber Ausdruck gab, dass sein Adler einen Hasen gebeizt hatte. Das Wild war schnell verkauft. Ich konnte selbst nur einen Hasen erstehen, hätte gern zwei genommen und einen Fasanenhahn dazu.

Zur Hubertusmesse war die wirklich geräumige Dorfkirche gefüllt. Um den Altar standen die Bläser in ihren festlichen Uniformen, aber auch Falkner mit ihren Vögeln und Jäger mit ihren angeleinten Hunden.

In der Predigt bedankte sich der Priester im Namen der von ihm in Indien betreuten Lepra Kranken. An den Tag mit seinen Bildern und Ereignissen muss ich noch oft denken.

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