Ausbildung am Schwarzwild in der Uckermark

Als der Gattermeister pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt auf dem Parkplatz vor dem Saugatter in Nähe der kleinen Stadt Zehdenick in Brandenburg eintraf, warteten wir Hundeführerinnen und Hundeführer schon voller Spannung auf ihn. Jeder war ja doch sehr darauf erpicht zu erfahren, wie sich sein Hund an wehrhaftem Schwarzwild verhalten würde. Zwar waren die meisten Hunde schon auf Drückjagden im Einsatz gewesen, wie sie sich aber im finsteren Tann an Sauen verhalten hatten, oder wie sie sich allein und nicht in der Meute verhalten würden, wusste man ja nicht. Das war das eigentliche Motiv für die weite Reise in die Uckermark zum Saugatter des Amtes für Forstwirtschaft in Templin gewesen, wo zwei Übungstermine für unsere Hunde Auskunft darüber geben sollten.

Unsere Hunde, das waren vier Parson Russell Terrier, ein Borderterrier, vier Deutsche Wachtelhunde und ein Kleiner Münsterländer. Vorweg schon das Ergebnis, dass beide Gattermeister nach den Übungsterminen allen Hunden die grundsätzliche Eignung für den Einsatz bei Drückjagden auf Sauen zugesprochen haben, wenn auch bei den meisten noch Lern- und Übungsbedarf zu sehen war. Ein Hund ohne Passion und ohne ausreichenden Schneid war nicht dabei. Nach meinem persönlichen Urteil hätten der PRT-Rüde Pim vom Forst und ein DW-Rüde die im Herbst von der Saugatterverwaltung veranstaltete Brauchbarkeitsprüfung mit Bravour bestanden. Beide Hunde suchten das Gatter selbstständig und systematisch nach den Sauen ab, brachten sie auf die Läufe und sonderten auch ein Stück aus der Rotte ab, um es dann zu stellen und zu verbellen. Ich kenne die Prüfungsordnung zwar nicht. Aber mehr als diese Hunde gezeigt haben, kann man in einer Prüfungsordnung schlechthin nicht postulieren.

Schwarzwildgatter allgemein und das Ausbildungsgatter in Zehdenick

In der Hundeausbildung hat ein Saugatter keineswegs den Zweck, unsere vierläufigen Waidgesellen dadurch „scharf“ zu machen, dass man sie auf die Sauen im Gatter hetzt.
Natürlich sollen in der Jagdpraxis die Hunde die Wildschweine aufstöbern und in Bewegung bringen, damit sie mit sauberem Schuss erlegt werden können. Das soll aber mit einem dem Wild angepassten Verhalten erfolgen. Und eben dieses angepasste Verhalten soll der Hund mit Hilfe seines Führers, der wiederum vom Gattermeister beaufsichtigt und angeleitet wird, im Ausbildungsgatter lernen. Dazu ist natürlich auch erforderlich, dass die als „Ausbilder“ im Gatter gehaltenen Sauen einerseits ein gewisses Phlegma und keine panische Angst vor Menschen haben, andererseits aber dem Hund auch imponieren können. Der Hund muss also lernen, dass Schwarzwild nicht wie anderes Schalenwild die Flucht ergreift und somit auch seinen Hetztrieb weckt, wenn er sich nur bellend nähert. Andererseits muss er die Erfahrung machen, dass auch die Sauen auf die Läufe zu bringen sind, wenn er ihnen entsprechend lästig wird, also dranbleibt. Genau so wichtig ist die Erfahrung, dass Wildschweine eben nicht ängstliche Fluchttiere sind, sondern sich durchaus zu wehren und auch auszuteilen wissen. Natürlich kann der Hund diese Erfahrungen auch in der Jagdpraxis ohne Unterstützung seines Führers machen. Fragen sind dann nur, wann er dazu die Gelegenheit hat, ob er überhaupt zum „Sauhund“ wird oder nur ängstlicher Mitläufer bleibt, oder ob er zum todesmutigen Draufgänger wird, der bei jeder Jagd ernsthaft verletzt oder gar eines Tages tödlich geschlagen wird.

Längst nicht alle Hunde, insbesondere nicht die intelligenteren, nähern sich völlig ohne Furcht den ihnen ja meistens auch noch unbekanntem Sauen. Bei der Arbeit im Ausbildungsgatter kann der Führer sie aber lobend unterstützen, wenn sie die Schwarzkittel angehen und Laut geben. Es ist ja auch völlig normal, dass ein Hund, sobald er die Sauen verbellt hat, zu seinem Führer zurück kommt und meint, er hätte damit seine Aufgabe erfüllt. Dann muss der Hundeführer eben nachrücken und seinen Schützling weiter anrüden bis die Sauen in Bewegung kommen und der Hetztrieb des Hundes so weit geweckt wird, dass er sie auf längere Zeit verfolgt. Wenn aber einer Sau die Sache zu bunt wird, sie den Spieß umdreht und auf den Hund zu stürmt, um ihn zu schlagen, soll der Hund natürlich früh genug ausweichen. Normalerweise tut ein Hund das auch instinktiv. Insbesondere, wenn er allein ist und sich nicht in der Meute unüberwindlich stark fühlt. Im Ausbildungsgatter aber kann der Hund bei seinem etwas zurück agierenden Führer den vermeintlich benötigten Schutz suchen, wie ja überhaupt dessen Anwesenheit dem Schutzbedürfnis des Hundes entgegenkommt und ihn damit mutiger macht.

Zum Verständnis des Hundes dazu sollte man sich klar machen, dass er im Alltag immer gesagt bekommt, dass der Hundeführer der über allem stehende Chef ist, der alles kann und in allen schwierigen Situationen voran geht. Jetzt aber soll er plötzlich der erste Angreifer sein.

Das Ausbildungsgatter in Zehdenick besteht seit Anfang 2007 und wird von der öffentlichen Forstverwaltung unterhalten. Die Gattermeister sind Forstbeamte. Allein, dass ein solches Ausbildungsgatter von einer staatlichen Stelle betrieben und gefördert wird, ist von unschätzbarem Wert für die Ausbildungsmethode an sich. Brandenburg ist bisher das einzige Bundesland, in dem es solche Saugatter gibt. In der DDR waren sie auch in anderen Regionen vorhanden. Inzwischen gibt es Bestrebungen, auch in anderen Bundesländern diese Einrichtungen wieder zu dulden. Natürlich ist damit zu rechnen, dass Jagdgegner, darunter auch Politiker, unter dem Mäntelchen des Tierschutzes dagegen angehen. Dabei geht es den Sauen im Gatter ausgezeichnet. Sie haben ihre geregelten Ruhezeiten, leben in einem ihnen zusagenden Umfeld und haben ihre tierärztliche Betreuung. Wie eine in Zehdenick über Speichelproben von Hunden und Sauen durchgeführte wissenschaftliche Untersuchung ergeben hat, ist ihre Stressbelastung durch die Übungen unerheblich. Die von den Hunden während der Ausbildungsstunden entnommenen Speichelproben wiesen etwas höhere Stresswerte aus. Ernsthafte Verletzungen von Hunden oder Menschen hat es seit Bestehen des Saugatters nicht gegeben. Lediglich ein etwas zu mutiger Hund musste vom Tierarzt wegen einer leichten Blessur behandelt werden. Übungen finden an Wochenenden statt. Während der Woche haben die Sauen ihre Ruhe. Bei einer Übung ist die Zahl der Hunde auf drei bis sieben festgelegt, wobei jeder Hund etwa eine viertel Stunde arbeiten kann. Dass wir mit zehn Hunden kommen konnten, war ein Entgegenkommen wegen unserer langen Anreise. Zu den Gattermeistern haben die Tiere ein vertrauensvolles Verhältnis. Sie betteln bei ihnen um Streicheleinheiten, wie wir das von unseren Hunden gewohnt sind.

Und sonst noch

Wer die Reise nach Zehdenick antritt, sollte natürlich vorher Absprache mit dem Gattermeister treffen und ihn um den Arbeitsplan mit nützlichen Informationen wie Wegbeschreibung, Übernachtungsmöglichkeiten etc. bitten. Wenn man schon einmal dort ist, sollte man auch die nahe gelegene Kreisstadt Templin besuchen. Eventuell sogar einen Jagdurlaub in traumhaft schöner Landschaft dranhängen. Die Preise bei der Forstverwaltung sind fair. Der Wildbestand ist reichlich.

Horüdho!

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