In der Knüppellaube

In Jägerkreisen ist es üblich, die Ansitzeinrichtungen eines Reviers mit Namen zu versehen. Das erweist sich als praktisch bei Absprachen, wenn man zu mehreren Jägern gemeinsam ansitzt. Es kann aber auch nützlich sein, wenn man Hilfe herbeirufen muss, sei es dass man sich einen Knochen gebrochen hat, oder dass ein schweres Stück Wild geborgen werden muss.

Foto von der Knüppellaube, ein Bodensitz

Den Erdsitz oberhalb eines Hauptwaldweges direkt an der Grenze meines Pirschbezirks im Hunsrück habe ich Knüppellaube genannt. Er sieht aus wie eine kleine Laube die in eine Fichtenschonung eingeschmiegt ist. Die Wände dieser Laube sind aber nicht aus Brettern zusammen gezimmert. Vielmehr sind an die vier Eckpfosten des kleinen Bauwerks waagerecht übereinander lauter trockene Stämmchen vorzeitig abgestorbener Buchenbäumchen genagelt. Dieses natürliche Baumaterial erweist sich als sehr widerstandsfähig gegen Fäulnis. Es zusammen zu suchen, ist allerdings sehr mühsam und seine Verarbeitung erfordert Geschick und Liebe zum Handwerk. Angehen kann man den Sitz ungesehen durch die Fichtenschonung, und der Einstieg ist vor den Blicken des Wildes dadurch verborgen, dass die Knüppel an der Seite etwas überstehen.

Der Blick aus der Knüppellaube

Von dem lauschigen Plätzchen aus hat man einen schönen Blick talwärts in ein Buchenaltholz, in dem sich fleckenweise schon Naturverjüngung angesiedelt hat. Wendet man den Blick nach rechts, fällt er auf eine noch dichte, aber schon zu Stangenholz werdende Nadelholzkultur. Nach links hinüber versperrt sehr bald dichter Buchenjungwuchs die weitere Sicht. An einem der ersten Tage im August hatte ich mich zur Mittagszeit in der Laube angesetzt. Ich hoffte, von hier aus einen Rehbock erlegen zu können, den ich mit dem Blatter aus dem Tal in den Altholzbestand vor mir locken wollte. Nach etwa zwanzig Minuten stillen Wartens ließ ich einige zarte Fieptöne erklingen. Als sich keine Reaktion zeigte, wiederholte ich mein Musikstück nach etwa fünf Minuten. Kein Bock zeigte sich, aber zwei Wanderer kamen den Holzabfuhrweg entlang und blieben vor meiner Laube stehen, ohne mich wahrzunehmen. Sie genossen den Blick ins Tal und ließen sich darüber aus, wie sehr doch der in der Nähe stehende Rundfunksendemast die Landschaft verschandele. Das wurde einem Fuchs zu viel, der, auch von mir bisher unbemerkt, auf dem Waldboden wohl seinen Mittagsschlaf gehalten hatte. Er sprang plötzlich auf und suchte in großen Sprüngen das Weite. Auch das bemerkten die Wanderer nicht. Sie setzten ihren Weg fort und der Fuchs kam schon nach wenigen Minuten zurück, um im Gelände vor mir nach Nahrung zu suchen. Jetzt konnte ich sehen, dass es eine Fähe war. Ihr Pelzmantel war nicht in bestem Zustand. Ein Zeichen dafür, dass sie strapaziöse Wochen der Welpenaufzucht hinter sich hatte. Mehrfach revierte sie noch die Fläche vor mir ab, bevor sie im Gebüsch verschwand. Ihr Verhalten zeigte mir, dass ich unbemerkt von ihr meinen Ansitzplatz eingenommen hatte, und dass meine Imitation des Fiepens einer brunftigen Ricke nicht ganz misslungen war. Sonst wäre sie nicht wiedergekommen sondern hätte argwöhnisch sich von dannen gemacht. Ich wartete noch einmal zwanzig Minuten, ehe ich mein kleines Konzert wiederholte. Auch dieses Blatten war erfolglos.

Als ich nach angemessener Zeit meinen Ansitz beenden wollte, kam allerdings doch noch Besuch. Ein Eichhörnchen deckte seinen Salzbedarf an dem Totholzstamm, an dem ich einen Mineralsalzleckstein für das Schalenwild aufgehängt hatte. Ehe ich meine Fotokamera schussbereit hatte, war es aber schon wieder verschwunden. An dem toten Holz haben sich Zunderschwämme angesiedelt und das Schalenwild hat kurz über der Erde die vom Regenwasser mit Salz durchtränkte Rinde abgeknabbert.

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