Eine Trophäe

Wenn ich die schmale Treppe zu meiner Jagdunterkunft in E. hochsteige, sehe ich an der Wand vor mir die kleine Sammlung der Trophäen, die mich an Jagderfolge in diesem Revier erinnern. Es sind einige Rehgehörne, Keilerwaffen, auch die Haken einer Überläuferbache, Häherfedern, eine von Ela gefundene Stange eines Damkniepers, aber auch Fangzähne aus der Familie Reineke Voß. Auf einer kleinen, ovalen Scheibe eines Buchenastes sind vier Fangzähne und sechs Schneidezähne eines Vertreters dieser Sippe aufgeklebt.

Dieses Trophäenbrettchen hängt fast genau in der Mitte und sehr oft bleibt mein Blick daran hängen und meine Gedanken gehen zurück an einen frischen Herbstmorgen auf der Hasenkanzel. Aus dem Tal schnürte von Südwesten, wie der Wind kommend, ein Fuchs zielstrebig Richtung Waldrand. Offenbar hatte er ausreichend Nahrung gefunden, denn er jagte nicht mehr. Etwa 50 Meter vor dem Waldrand und etwa 100 Meter von mir entfernt machte er Halt, setzte sich auf die Keulen und schaute ins Tal herunter.

Das tat ich dann auch und sah im Tal einen zweiten Fuchs fast auf demselben Weg durch das taunasse Gras hangwärts kommen. Ich wollte nun wenigstens einen der beiden Rotröcke erbeuten und legte auf den sitzenden Fuchs in guter Schussentfernung an. Durch das Zielfernrohr sah ich ihn im Schuss zusammensinken. Den Knall hat er wohl nicht mehr vernommen. Aber auch der zweite Fuchs hatte den Krach nicht gehört. War er taub? Unbeirrt setzte er seinen eingeschlagenen Weg fort. Dabei hätte er doch nach aller Erfahrung mit fliegender Standarte wie der Blitz abgehen müssen, als der Schuss fiel. Stattdessen schnürte er seelenruhig weiter in sein Verderben.

Ich konnte das Ganze kaum fassen und blieb erst einmal fünf Minuten auf meiner Kanzel sitzen. Das hatte ja so ausgesehen, als ob der erste Fuchs auf den Zweiten warten wollte und dass dieser auf den Schuss nicht reagiert hatte, war doch sehr merkwürdig. Er konnte doch eigentlich nicht taub sein, denn Füchse jagen ja auch mit den Ohren. Sie orten mit dem Gehör genau, wo eine Maus fiept oder raschelt und springen dann exakt auf den Punkt, den ihnen ihr Gehör bezeichnet. Sehr oft ist dann das vorlaute Mäuslein ihre Beute.

Die Untersuchung der beiden Füchse ergab dann, dass der zuerst erlegte eine Fähe mittleren Alters und mittleren Gewichtes war. Die zweite Beute war ein schwerer alter Rüde mit einem sehr lückenbehafteten Gebiss. Einer der vier Fangzähne war nur noch halb vorhanden. Die Zahnwurzel war bereits weggefault. Von den ursprünglich zwölf Schneidezähnen waren im Oberkiefer wie im Unterkiefer nur noch je drei vorhanden. Auch dies waren nur noch angefaulte Rudimente. - Was muss der arme Kerl für Zahnschmerzen gehabt haben -. Fang- und Schneidezähne sind nun in der Anordnung, die sie einst im Gebiss hatten, auf das Brettchen geklebt. Fuchs und Fähe wurden im Papiersack tief im Waldboden vergraben. Sie jagen keine Mäuse mehr, rauben aber auch den Bodenbrütern die Gelege nicht mehr aus und dezimieren nicht mehr die Junghasen. Das Rätsel, warum der zweite Fuchs nicht auf den ersten Schuss hin absprang, wird wohl immer ungelöst bleiben. Mancher mag diese Geschichte auch als Jägerlatein abtun. Für mich ist es aber ein ganz bemerkenswertes und erinnerungswürdiges Erlebnis. Und die Trophäe ist mir wertvoll.

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