Vorbemerkung für Nichtjäger: Die Herbstzuchtprüfung ist eine für alle Vorstehhundrassen einheitliche "Gesellenprüfung" der Hunde im Alter von etwa anderthalb bis zwei Jahren. Ohne die "HZP" gibt es üblicherweise keine Zuchtzulassung. Darüber hinaus gilt diese Prüfung natürlich auch als Gradmesser für den Zuchtwert der Elterntiere bzw. für die erfolgreiche Arbeit der Züchter.

Die "HZP" ist noch keine Meisterprüfung. Der perfekte Hund, sofern es den überhaupt gibt, wird noch nicht erwartet. Dass der Prüfling aber auf der Jagd schon erfolgreich eingesetzt werden kann, wird allerdings angestrebt und die Prüfungsfächer sind dementsprechend schwierig.


Eine Herbstzuchtprüfung am Niederrhein

Fünfzehn Hundeführerinnen und Hundeführer und ebenso viele Verbandsrichter, zudem einige Revierführer, Richteranwärter und "Schlachtenbummler" hatten sich am Morgen des 16.9. in einer Dorfschenke am Niederrhein zur Herbstzuchtprüfung eingefunden. Es hatte die ganze Nacht geregnet und nur der Wirt hatte trockene Schuhe. Für mich gab es nur wenige neue Gesichter, die meisten waren vertraut, und die Stimmung in den Räumen schien mir auch so. Da wurde geflachst und geflunkert, gelacht und Glück für den Tag gewünscht.

Die organisatorischen Fragen, Gruppeneinteilung, Revierzuteilung, Zeitplan für die Prüfung der Hunde am Gewässer waren bald erledigt. Es wurde von den anwesenden Jagdhornbläsern das Signal "Jägersleute versammelt euch" intoniert und nach kurzer Ansprache und Einweisung durch den Prüfungsleiter brachen die Gruppen in ihre Reviere auf. Das Wetter wurde hell und frischer Wind fegte bald der Sonne den Himmel frei.

Jede aus drei Richtern bestehende Gruppe hatte drei Hunde zu prüfen. In der Gruppe, der ich zugeteilt war, traten drei erfahrende Hundeführer mit einer kleinen Münsterländerin, einem etwas zu groß geratenen Deutsch Drahthaar Rüden und einer sehr eleganten Irish Setter Hündin an.

Unser Revierführer war ein Jäger aus dem Nachbardorf, der selbst einen großen Bauernhof mitten im Feldjagdrevier bewirtschaftet und Mitpächter des genossenschaftlichen Jagdbezirks ist. Er setzte alles daran, uns Stellen im Revier zu zeigen, wo mit Wildvorkommen zu rechnen war. Jeder Hund musste nun weiträumig suchen und beim Finden von Wild sauber vorstehen, bis der Hundeführer herantrat und Fasan oder Rebhuhn zum Abstreichen oder den Hasen zum Verlassen seines Pottes aufforderte. Geschossen wird bei der HZP auf Wild nicht.

Jochen, wie der Revierführer mit Vornamen hieß, hatte schon im Alter von 16 Jahren in seiner Heimat in Ostpreußen vor der Vertreibung den ersten Jagdschein gelöst. Er erzählte mir, wie damals sein Vater mit ihm zum Kreisjägermeister zur Jägerprüfung gegangen war. Der Kreisjägermeister hatte ihn examiniert, unter anderem die Frage gestellt, was der Hase denn hinten habe. Auf die Antwort "Blume" hatte er dann noch die Frage auf Fuchs und Reh ausgedehnt. Nachdem Jochen "Lunte" und "Spiegel" richtig geantwortet hatte, war die Prüfung mit den Worten, dass der Junge ja alles wisse, bestanden. Dem Vater von Jochen gab der Jägermeister aber noch den guten Rat, dem kleinen Kerl nicht ein allzu großes Gewehr in die Hand zu geben.

Noch über viele Dinge redeten wir im Laufe des Vormittags. Vor allem natürlich über Niederwild, aber auch über wildfreundlichen Landbau und Naturschutz. Allerdings auch über die Auswüchse des letzteren. So sei der Altrheinarm in seinem Revier von den vielen Wildgänsen völlig verkotet und zu einer Güllegrube geworden, und einem weiteren Gewässer drohe dasselbe Schicksal. Der Überpopulation der Schwäne würden die Vogelschützer ja schon durch Schütteln aller Eier bis auf eines pro Gelege entgegenwirken.

Auch die Vorschriften über Brachenwirtschaft, die zum Teil absolut wildfeindlich seien, waren unser Thema. Der Wildbesatz in diesem Revier, insbesondere die Hasenpopulation ist hervorragend. Entnommen würden jährlich auf der Treibjagd etwa hundertzwanzig Hasen, große Teile des Reviers blieben aber immer unbejagt.
Die natürlichen Feinde des Niederwilds, Krähe und Fuchs würden scharf bejagt. Gegen den zunehmenden Verkehr des Nachts auf den Wirtschaftswegen sei man aber machtlos.

Ihre Suche erledigten alle drei Prüfungskandidaten mit Jagdpassion und ansprechenden Vorstehleistungen. Zwei Hunden konnten wir bestätigen, dass sie die aufgestöberten Hasen mit Sichtlaut verfolgten. Die Setterhündin blieb aber dabei stumm. Auf den Laut haben die irischen Wilddiebe, die diese Rasse züchteten, wohl bei der Zuchtauslese aus verständlichen Gründen keinen Wert gelegt.

Ob sie in der Praxis angeschossenes Wild suchen und apportieren können, wird bei den Hunden anhand einer so genannten Schleppe geprüft. Dazu wird ein totes Stück Haarwild, Hase oder Kanin, an einem Strick etwa 300 Meter durch eine Wiese gezogen. Ähnlich, aber über eine kürzere Distanz geschieht das mit einem Stück Federwild. Dieses Wild müssen die Hunde, auf der Schleppspur angesetzt, finden und ihrem Führer zutragen. Natürlich ist diese Aufgabe für einen jungen, noch nicht praxiserfahrenen Hund schwer, wenn während der Arbeit plötzlich vor ihm ein Hase aufsteht und flüchtet. Und da in Jochens Revier der Hasenbesatz einfach zu gut war, beschloss das Richterkollegium, diese Arbeiten in einem weniger üppig besetztem Revier in der Nähe des Prüfungsgewässers ausführen zu lassen. Dort klappte dann auch alles reibungslos. Die Hunde waren eben sauber abgerichtet.

Nun stand die Prüfung der Hunde im Wasser noch aus. Der veranstaltende Prüfungsverein hat für die Ausbildung und Prüfung der Jagdhunde ein Gewässer angepachtet, das mit einem hohen Maschendrahtzaun umgeben ist. Zunächst wird die Schussfestigkeit der Hunde geprüft. Dazu wird eine tote Ente in das Wasser geworfen und der Hund zum Apport dieser Ente aufgefordert. Wenn der Hund schon im Wasser ist, wird dann mit Schrot auf das Wasser so geschossen, dass der Hund nicht verletzt werden kann. Nimmt der Hund das Wasser nicht an, oder steigt er auf den Schuss hin aus, so kann er die Prüfung nicht bestehen.

Seinen Finderwillen muss der Hund auch im Wasser beweisen. Er muss eine Ente finden, die auf Schrotschussentfernung im Schilf versteckt ist, und sie seinem Führer zutragen und sauber ausgeben. Diese Aufgaben, das Finden einer geschossenen Ente mit der Nase und der Apport, sind eigentlich in der späteren Jagdpraxis die häufigsten. Zuletzt muss der Hund eine lebende Ente, die in ihrer Flugfähigkeit vorübergehend durch eine Papiermanschette behindert ist, aufstöbern und aus der Deckung aufs Wasser drücken, wo sie dann erlegt wird. Auch diese Ente muss der Hund natürlich apportieren. Bleibt zu erwähnen, dass dieses ganze Procedere unter Tierschutzgesichtspunkten streng reglementiert ist.

Unsere drei Hunde erledigten auch ihre Aufgaben im Wasser recht ordentlich, allerdings mit unterschiedlichen Zensuren. Der Deutsch Drahthaar Rüde war eine Klasse besser als seine beiden Konkurrentinnen.

Bei allen diesen Arbeiten der Hunde ergaben sich Anhaltspunkte, deren Gesamtbild dann noch Zensuren für den Nasengebrauch, die Führigkeit, die Arbeitsfreude usw. ergeben. Wir drei Richter waren uns dabei schnell einig, was aber durchaus nicht immer so sein muss. Auch ist es durchaus nicht immer so, dass die Hundeführer mit den Zensuren einverstanden sind.

An diesem Tag verlief in unserer Gruppe aber alles sehr harmonisch. Wie es meistens ist, wenn die Hunde und die Revierverhältnisse gut sind.

Bei der Rückkehr ins Suchenlokal war unsere Gruppe die Letzte. Allerdings waren wir auch die beste Gruppe, denn alle drei Hunde unserer Gruppe hatten die Prüfung bestanden. Fünf Hunde mussten ohne Prüfungszeugnis nach Hause fahren, vier davon hatten auf der Schleppe versagt, eine heiße Hündin hatte das Wasser nicht angenommen. Ausgerechnet diese Hündin war auf einer Frühjahrssuche Beste geworden und wurde von einem erfahrenen Führer vorgestellt, der ihre Ausbildung sicher nicht auf die leichte Schulter genommen hat. Solche Dinge zeigen, dass Hunde keine Maschinen sind.

Mir tat es für diesen Hundeführer, mit dem ich schon mehrfach gemeinsam in einer Gruppe gerichtet habe, Leid. Besonders gefreut hat mich, dass ein Erstführer mit seiner Weimaraner Hündin Suchensieger wurde.

Auf der Heimfahrt ging mir durch den Sinn, wie schön der Tag doch wieder gewesen war. Etwa 15 Kilometer in Gummistiefeln, nicht nur durch Wiesen, auch über lehmiges Ackerland hinter guten Hunden in frischer Luft hergelaufen. Die weite, niederrheinische Landschaft erlebt. Liebe Menschen wieder getroffen und neue kennen gelernt.


So liebe ich den Herbst.

Horüdho!

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