An der Hunsrückhöhenstraße
Nach einer arbeitsreichen
Woche sollten mir einige Tage im Jagdrevier von Freunden Meine Jagdeinladung erstreckte
sich zwar auf Rehwild, aber unter diesen Verhältnissen Im Jagdhaus traf ich den Jungjäger Axel an, der am Vorabend im letzten Büchsenlicht einen zwei- bis dreijährigen Keiler an einer Kirrung im Hochwald geschossen hatte. Ich ließ mir natürlich die Sache ausführlich schildern und fragte dann aber, ob er sich denn genügend Federn für einen ordentlichen Saubart gezupft habe. Das hatte er in seinem großartigen Erfolgsgefühl schlicht vergessen. Aber es war ja noch Zeit, das Versäumte nachzuholen. In den nächsten Stunden machte ich zunächst eine „Gummipirsch“, wie eine Autofahrt durch das Jagdrevier auch scherzhaft genannt wird. Ich wollte den Wagen im Schatten einer um eine Kanzel aufgewachsene Feldholzinsel abstellen, um von dort aus mit den Hunden einen Spaziergang zu machen. Zufällig sah ich vor dem Aussteigen einen Hasen gemütlich über ein noch unbestelltes sehr großes Flurstück hoppeln. Stopp! Chance einer Hasenspur für Junghündin Cosima, war sofort mein Gedanke. In den Acker sollte demnächst Mais eingedrillt werden. Er lag zwischen zwei ausgedehnten Rapsstücken und wies eine natürliche Zwischenvegetation aus. Während Cosima die Hasenspur zu meiner Zufriedenheit arbeitete, kam etwa 200 Meter von mir links eine Sau mit schon recht großen, nicht mehr gestreiften Frischlingen aus dem Raps, sie verschwand aber mitsamt ihrem Nachwuchs schnell wieder darin. Ich merkte mir die Stelle, um sofort anschließend meine kleine Meute dort auf den Fährten anzusetzen. Ela verschwand dann sofort im Raps und ihre Töchter folgten. Bald hörte ich Ela kurz aber wütend anschlagen. Akira hingegen machte wie immer von ihrem vorlauten Hals regen Gebrauch, wobei ich mir sicher war, dass sie das aus ganz respektvollem Abstand tat. Es war aber bald Ruhe. Die Bache hatte ihren Nachwuchs wohl schnell in Sicherheit gebracht. In dem dicken Rapsgestrüpp konnten die Hunde ihr auch sicher nicht folgen.A uf meinen Kommpfiff hin erschienen Ela, Akira und Cosima auch bald wieder, aber Cora ließ mich, wie so oft, wieder warten. Die wird schon kommen, dachte ich und zog mit den drei Hunden frei bei Fuß Richtung Auto. Plötzlich rechts vor mir Bewegung im Raps und ein Überläufer stürmte heraus. Im Schweinsgalopp ging er quer über den Acker in den nächsten Rapsschlag, verfolgt von meiner Restmeute. Nun stand ich ohne meine Hunde
da. Aber auch in dem Rapsstück war das Wildschwein Den Abend verbrachte ich auf einer Ansitzkanzel im Wald. Mit Wild rechnete ich eigentlich kaum. Den Abend genießen wollte ich. So lange Büchsenlicht war, draußen im Wald sein, den Tag Revue passieren lassen, Vogelstimmen lauschen, Plan für den nächsten Tag machen, nichts tun. Nach etwa zwei Stunden fühlte ich, dass in meiner unmittelbaren Nähe im dichten Jungfichtenbestand Wild war. Dann hörte ich auch das leise Knacken von trockenem Nadelholz. Ich vernahm sogar den Atem eines stärkeren Stückes. Sofort spürte ich höchste Anspannung in meiner Brust. Ich machte leise meine Waffe schussbereit und verharrte, und verharrte, und verharrte. Etwa 20 Minuten dauerte dieser Zustand, dann fühlte ich, dass das Wild fort war, also nicht mehr austreten würde, und baumte ab. Im Jagdhaus traf ich den inzwischen eingetroffenen Freund Eugen, dem ich natürlich von der eben erlebten Situation berichtete. Eugen vermutete, dass es der alte Keiler gewesen sei, dessen Atem ich gespürt hatte. „Den hat schon mancher gefährtet, aber der ist sehr erfahren und vorsichtig. Den bekommt man nur, wenn er mal einen Fehler macht“, war sein Kommentar. Ein weiterer Tag im Revier verging mit den üblichen Arbeiten des Jägers, wobei mich die Hunde den ganzen Tag begleiteten. Von einigen Gehorsamsübungen abgesehen, tat ich aber kaum etwas für die Ausbildung der Nachwuchskräfte Cosima und Cora. Es fehlte einfach die Zeit. Drei Wochen später, jetzt
Mitte Juni, bog ich wieder von der Hunsrückhöhenstraße
ab in das idyllisch gelegene blitzsaubere Dörfchen W. Als ich
ins Jagdhaus kam, war Freund Eugen schon da. Er hatte seinen alten
Kumpel Klaus vom Niederrhein mitgebracht, der, obwohl selbst kein
Jagdscheininhaber, seit Jahrzehnten gerne mit auf die Jagd geht. Sei
es als Treiber, Jagdhelfer oder als stiller Beobachter des Geschehens
in Wald und Flur. Etwa zweieinhalb Stunden Tageslicht standen noch zur Verfügung. Der Wind stand von Süd-Westen auf einen Teil des rechts von mir gelegenen Rapsfeldes zu. Direkt vor mir der Acker mit dem frisch eingedrillten Mais. Nun, Sauen konnten auch aus dem Raps von links oder auch aus dem gegenüberliegenden Wald etwa 400 Meter am Ende des Ackers anwechseln. Dass sie von rechts kommen würden vermutete ich nicht. Der Wind würde ihnen rechtzeitig meine Anwesenheit mitteilen, und sie würden die Deckung des Rapsfeldes nicht verlassen. Der Abend war zunächst ruhig. Von einem Mümmelmann und einigen Ringeltauben abgesehen, bekam ich kein Wild in Anblick. Die riesigen Felder bildeten eigentlich eine öde Kulisse. Nach etwa zwei Stunden raschelte
es rechts von mir im Raps. Dann war es wieder ruhig. Das wird ein
Dachs sein, überlegte ich. Aber was fand Grimbart dort im Raps
Knapp zehn Minuten später
stand plötzlich etwa 80 m nördlich wieder eine Bache mit
einem halben Dutzend Frischlingen vor dem Raps. Offenbar waren sie
jetzt außer Wind, Als Treffpunkt mit dem Schweißhundführer Bernhard war die Kanzel, von der aus ich geschossen hatte, vereinbart. Malve hieß die Deutsche Jagdterrierhündin, die aus seinem Geländewagen sprang. Nachdem ich den Fall geschildert hatte, stellte Bernhard noch gezielt einige Fragen. Zweimal kam er auf die Größe der beschossenen Sau zu sprechen. Es war ihm schon mehrfach passiert, dass Jäger sich da total verschätzt hatten und dass am Ende der Nachsuche auf einen schwachen Überläufer eine grobe Sau lag. Und auf eine grobe Sau im Raps nachzusuchen, kann tödlich sein. Ich schlug daher vor, zunächst das Rapsfeld an allen Seiten daraufhin zu kontrollieren, ob eine kranke Sau ausgewechselt war, um gegebenenfalls von dort aus dann die Wundfährte durch den Hund aufnehmen zu lassen. Dieser Vorschlag deckte sich wohl auch mit Bernhards Vorstellung und so machten wir uns an die Arbeit. Malve zeigte uns verschiedentlich Wildwechsel an und wurde plötzlich auch ganz aufgeregt, als sie offenbar auf die Spur eines Fuchses kam. Eine Wundfährte zeigte sie uns aber nicht. Wohl wollte sie unbedingt an der Ostseite des Feldes in den Raps hinein. Bernhard trug sie aber ab und setzte sie jetzt am Anschuss an der Westseite an. Dabei sagte er, dass er meiner Einschätzung der Größe der beschossenen Sau, etwa 30 – 35 kg, vertraue. Der inzwischen hinzugekommene
Klaus wurde in die Nachsuche einbezogen. Malve zog vom Anschuss an
gezielt am ganz kurzen Riemen in den Raps hinein. Nach kaum fünf
Metern meldete Bernhard in dem dichten Gestrüpp Schweiß,
allerdings recht hoch an dem Rapsstroh. War
die Sau eventuell doch größer? Nach kurzer Zeit, wir hatten
uns etwa etwa 40 Meter durch das dichte Gestrüpp gekämpft,
kam der erlösende Ruf von Bernhard: „Sau tot“. |
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